Große Erwartungen für die dezentrale Energieversorgung in den Kommunen weckte die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (gGV): Ziel des Modells war, eine bürokratiearme Lieferung von PV-Strom an mehrere Parteien innerhalb eines Gebäudes zu ermöglichen. Bürokratiearm u. a. deshalb, weil bei der gGV im Vergleich zum Mieterstrom keine Vollstromversorgung notwendig ist – jeder Teilnehmer bleibt für den Reststrom bei seinem Lieferanten. Aus diesem Grund wird sogar von einer Konkurrenz zum Mieterstrom gesprochen. Doch: Ist die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung tatsächlich eine sinnvolle Alternative zum Mieterstrommodell?
Wir denken: nein. Das Konzept, das im Rahmen des Solarpaket 1 beschlossen wurde wird, hat in der Praxis durchaus sinnvolle Einsatzgebiete. Für den flächendeckenden Einsatz, insbesondere in der Wohnungswirtschaft, ist es aus unserer Sicht wenig geeignet. Im Folgenden erläutern wir die Gründe.
Die Fakten
Aus unserer Sicht sprechen insbesondere drei Gründe gegen einen flächendeckenden, profitablen Einsatz der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung. Welche das sind, erläutern wir nachfolgend.
In der GGV ist es erforderlich, die Erzeugung und den Verbrauch eines jeden Teilnehmers viertelstündlich zu erfassen und trennscharf abzurechnen.
Im Vergleich zum On-Site-PPA mit nur einem Stromabnehmer ist die Umsetzung des Messkonzepts mit mehreren Stromabnehmern deutlich aufwendiger. Um Netzstrom und PV-Strom sauber abzugrenzen, wird die physische Messlokation in zwei virtuelle Zählpunkte aufgeteilt: Der bezogene Reststrom sowie der bezogene PV-Strom jedes einzelnen Mieters werden unabhängig von der Herkunft über eine intelligentes Messsystem oder einen RLM-Zähler im Viertelstundentakt gemessen. Eine Berechnungsformel trennt diesen jedoch proportional zum Anteil am Gesamtverbrauch aller Verbraucher rechnerisch in Netz- und PV-Strom auf – immer verbrauchsgenau pro Viertelstunde.
Da pro Abnehmer vor Ort mindestens eine Formel erstellt werden muss, sind Messkonzepte für die GGV deutlich komplexer als im Mieterstrommodell. Zum Vergleich: Im Mieterstrommodell gibt es standardisierte Messkonzepte und eine Formel für beliebig viele Teilnehmer. Entweder um Nichtteilnehmer aus einem physischen Summenzähler “herauszubilanzieren” oder um einen virtuellen Summenzähler aus den Messwerten aller Teilnehmer zu errechnen. Aufgrund der Komplexität ist eine direkte Abstimmung der Berechnungsformel mit dem Verteilnetzbetreiber erforderlich.
Herausforderung für Netzbetreiber und Messstellenbetreiber
Die Vielzahl der notwendigen virtuellen Zähler/Formeln bedeutet eine hohe Komplexität für Verteilnetzbetreiber und Messstellenbetreiber – und stellt sie vor eine immense Herausforderung. Es liegt auf der Hand, dass die Prozesse und Kapazitäten aktuell nicht darauf eingestellt sind, Wechselprozesse und die damit einhergehende notwendige Anpassung der Berechnungsformeln in signifikantem Umfang umzusetzen. Somit stellt das Konzept der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung eine enorme Herausforderung für die ohnehin überlasteten Messstellen- und Verteilnetzbetreiber dar.
Zusammengefasst:
- Im Mieterstrommodell gibt es eine Formel für beliebig viele Teilnehmer.
- In der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung gibt es n Formeln > mindestens eine pro Teilnehmer.
2. Mieterstrom ist wirtschaftlich attraktiver als die gGV
Bei Mieterstrommodellen kommen im Vergleich zur gGV zusätzliche Ertragsquellen zum Einsatz: Neben dem Mieterstromzuschlag aus dem EEG, zu dem in der gGV kein Pendant vorgesehen ist, kann auch durch die Reststromlieferung eine zusätzliche Marge erzielt werden. Zusammengenommen lassen sich so zirka 2 bis 5 ct/kWh zusätzlich erwirtschaften. Weiterhin kann im Mieterstromkontext eine Grundgebühr erhoben werden, da kein zusätzlicher Stromliefervertrag besteht.
Weiterhin verbessert sich die Wirtschaftlichkeit, weil pro Kundenanlage nur ein Stromliefervertrag mit dem Versorger geschlossen wird. Damit einher geht die einmalige Zahlung des Grundpreises. In der gGV schließt, wie oben beschrieben, jeder Teilnehmer seinen eigenen Stromliefervertrag und zahlt entsprechend Grundgebühren.
Mieterstrom |
Gemein. Gebäudeversorgung |
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* Da Sie als Mieterstromlieferant die Vollstromversorgung übernehmen, können Sie (analog klassischen Stromversorgern) auch eine Grundgebühr erheben
Im Mieterstrommodell bündelt der Anlagenbetreiber den Reststromeinkauf für die gesamte Kundenanlage. In der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung können Reststrom-Kleinstmengen der Endverbraucher nicht durch den Anlagenbetreiber gebündelt werden. Jeder Verbraucher schließt zwei Stromlieferverträge – einen für die gGV bzw. den lokalen PV-Strom, einen für den zusätzlich nötigen Reststrom. Dadurch ergibt sich einerseits zusätzlicher Verwaltungsaufwand, aber vor allem eine große Herausforderung für die Prognose und Residualstrombeschaffung – zu Lasten der Energieversorger.
Aus den genannten Gründen halten wir eine flächendeckende Umsetzung der gemeinschaftlichen Grundversorgung in der Wohnungswirtschaft für nicht wirtschaftlich und deutlich zu komplex. Anders sieht dies aus, wenn die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung in Gewerbeimmobilien mit Filialisten zum Einsatz kommt. Aufgrund der bestehenden Rahmenstromverträge vieler Filialisten stellt die gGV oft die einzige Alternative dar. Aufgrund der langfristigen Lieferverträge sind Änderungen im Messkonzept weit weniger häufig als in der Wohnungswirtschaft. Zudem sind die gelieferten Energiemengen größer, wodurch der Mehraufwand beim Messkonzept vertretbar wird. Die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung bietet hingegen eine hervorragende Möglichkeit, auch mit Filialisten eine Lokalstromversorgung umzusetzen.
Als Standard ist Mieterstrom aufgrund der geringen Komplexität und der höheren Ertragschancen vor allem in der Wohnwirtschaft weiterhin das präferierte Geschäftsmodell. Die Betreiberpflichten in beiden Modellen haben wir in einem weiteren Blogartikel für Sie gegenübergestellt.
Durch die innovative Abrechnungslösung von Solarize können beide Modelle problemlos umgesetzt werden. Darüber hinaus ist die Solarize App dank der flexiblen Schnittstellen in der Lage, anderen Akteuren, beispielsweise Messstellenbetreibern, die bilanzierten Werte zur Verfügung zu stellen und diese damit für die gGV zu befähigen.
Sie möchten mehr darüber erfahren? Unsere Experten erläutern Ihnen gerne die Möglichkeiten.