In der Theorie klingt es ganz einfach: PV-Anlage auf dem Dach installieren, anschließen und vom lokal produzierten Solarstrom profitieren. Doch die Realität gestaltet sich deutlich komplexer. Spätestens wenn der erzeugte Solarstrom an Mieter der Wohn- oder Gewerbeimmobilie verkauft werden soll, stellt sich die Frage nach dem geeigneten Messkonzept. Für unterschiedliche Anwendungsfälle gibt es verschiedene Konzepte, die auch die rechtlichen Anforderungen berücksichtigen müssen.
Messkonzepte spezifizieren den Aufbau einer Kundenanlage. Sie dokumentieren neben dem Vermarktungsmodell der Erzeugungsanlagen, sämtliche Zähler und potenzielle Speichermöglichkeiten. Mieterstromvollversorgung, On-Site-PPA oder gemeinschaftliche Gebäudeversorgung - die Wahl des Betreibermodells spiegelt sich im Messkonzept wieder. Die Auswahl des Messkonzepts liegt grundsätzlich beim Anlagenbetreiber, die Umsetzung beim Messstellenbetreiber - der jeweils zuständige Verteilnetzbetreiber muss es jedoch auf die Einhaltung des EEG/KWKG, ENWG und die technischen Anschlussbedingungen (TAB) prüfen. Die meisten Netzbetreiber geben eine gewisse Auswahl an Messkonzepten vor, beispielsweise die Volleinspeisung, die Überschusseinspeisung mit oder ohne Erzeugungszähler, die Überschusseinspeisung mit oder ohne Speicher oder Mieterstrom / Selbstversorgergemeinschaften.
Messkonzepte bestimmen die Möglichkeiten, wie der Strom gemessen, verteilt und bilanziell abgerechnet werden kann. Auf Basis von Standardmesskonzepten lassen sich meist nur klassische Mieterstrommodelle, bei denen der Mieterstromanbieter die Vollversorgung übernimmt, sowie die ausschließliche Lieferung von PV-Strom in Form eines On-Site-PPAs mit einem einzigen Stromabnehmer umsetzen.
Die Großmutter der Messkonzepte benötigt einen zentralen physischen Summenzähler, der den gesamten Stromverbrauch einer Liegenschaft misst. Der Mieterstromanbieter tritt als Vollversorger auf und liefert sowohl PV-Strom als auch Reststrom aus dem Netz. Für ins Netz abgeführte überschüssige Strommengen erhält er eine Einspeisevergütung. Mieter, die nicht am Mieterstrommodell teilnehmen - sogenannte Nichtteilnehmer -, haben dabei einen eigenen Stromvertrag und werden von den Verteilnetzbetreibern am Summenzähler (Z1) herausbilanziert.
Sobald ein Messkonzept entwickelt wird, das nicht über die Standards des jeweiligen Verteilnetzbetreibers abgedeckt werden kann, ist in der Regel ein Gespräch zwischen Messstellenbetreibern und Verteilnetzbetreibern notwendig. Nach den BDEW Prozessen der Marktkommunikation muss der Verteilnetzbetreiber die Berechnungsformel zur Bilanzierung an den Messstellenbetreiber kommunizieren (UTILTS).
Die Mieterstrom-Vollversorgung mit virtuellem Summenzähler ist seit Mai 2023 mit dem GNDEW (Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende) im EnWG §20 1.(d) verankert und wird damit zum Standard-Messkonzept. Im Mieterstrommodell bringen virtuelle Summenzähler zahlreiche Vorteile mit sich. Die wichtigsten Aspekte im Überblick:
Details zu den Vorteilen virtueller Summenzähler haben wir in einem separaten Blogbeitrag zusammengefasst.
On-Site-PPA mit Messkonzept Überschusseinspeisung
Beim On-Site-PPA mit nur einem Stromabnehmer kommt das Messkonzept der Überschusseinspeisung zum Einsatz, es ähnelt im technischen Aufbau dem Standard-Messkonzept für Mieterstrom. Auf Basis dieses Messkonzepts wird der lokal produzierte Strom nur einem lokalen Verbraucher zur Verfügung gestellt. Da es sich um ein Standard-Messkonzept handelt, bedarf es in der Regel keiner individuellen Abstimmung mit dem Netzbetreiber. Es bietet sich insbesondere dann an, wenn es einen Ankermieter mit sehr hohem Verbrauch gibt. Hier wird die Differenz zwischen Erzeugung und Einspeisung als Direktverbrauch mit dem Mieter abgerechnet. Der Anlagenbetreiber erhält auch hier eine Einspeisevergütung für eingespeiste, überschüssige Strommengen. Der bezogene Reststrom wird dem Mieter (Anschlussnutzer) dabei direkt vom Versorger in Rechnung gestellt.
Zwar lassen sich On-Site-PPAs mit mehr als einem Stromabnehmer auch umsetzen und sind politisch gewollt. Im kürzlich verabschiedeten Solarpaket 1, wird dieses Modell als “gemeinschaftliche Gebäudeversorgung” bezeichnet. Im Vergleich zum On-Site-PPA mit einem Stromabnehmer ist die Umsetzung aber deutlich komplexer und erfordert die direkte Abstimmung der Bilanzierungsformel mit dem Verteilnetzbetreiber.. Grundsätzlich kann als zugrundeliegendes Messkonzept sowohl mit einem virtuellen als auch physischen Summenzähler gearbeitet werden. Der virtuelle Summenzähler erleichtert die Bilanzierung jedoch erheblich, da die Verbräuche der Nichtteilnehmer nicht berücksichtigt werden müssen.
Einige Verteilnetzbetreiber stimmen der Teilversorgung mehrerer Mieter in ihrem Netzgebiet bereits zu. Für die korrekte Bilanzierung ist jedoch eine Berechnungsformel auf Seiten des Verteilnetzbetreibers erforderlich. Daher sollten nicht mehr als zehn Teilnehmer in diesem Modell existieren, da die zugrundeliegende Berechnungsformel ansonsten sehr komplex und nicht verwaltbar ist. Außerdem müssen alle Teilnehmer zwingend viertelstündlich bilanziert werden. Unser Praxisbeispiel im Carl-Metz-Areal in Karlsruhe zeigt, wie ein solches Projekt erfolgreich und ohne Umbau der Hauselektrik umgesetzt werden kann. Die Meter-to-Cash-Software von Solarize misst den lokal produzierten PV-Strom, sowie den Reststrom aus den verschiedenen Rahmenstromverträgen der Filialisten auf dem Retail-Areal und ermöglicht so eine exakte PV-Strom-Abrechnung.
Aus rechtlicher Sicht sind keine Erzeugungszähler vorgeschrieben. Um die Abrechnung mit unserer Software zu erstellen, ist dieser jedoch notwendig und beim Einsatz des vZ1 weiterhin verpflichtend. Für alle Messungen in einer Kundenanlage ist der Messstellenbetreiber zuständig. Bei ihm liegt die Aggregationsverantwortung für das Messkonzept. Das bedeutet, der Messstellenbetreiber stellt die (ggf. korrigierten) Werte am (v)Z1 für die Marktkommunikation zur Verfügung. Messstellenbetreiber handeln hier im Sinne des Messstellenbetriebsgesetzes. Da viel Abstimmung und eine enge Zusammenarbeit notwendig sind, ist ein vertrauensvolles und partnerschaftliches Verhältnis zum Messstellenbetreiber ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Umsetzung innovativer Messkonzepte.