Durchbruch bei der Standardisierung Wechselprozesse beim Mieterstrom bald einheitlich
Die Geduld vieler Mieterstromanbieter wurde in der Vergangenheit auf die Probe gestellt: Wenn ein Mieter in ein Mieterstrommodell hinein- bzw. heraus wechseln wollte, mussten oft gleich mehrere Monate Wartezeit einkalkuliert werden.
Der Grund: Kundenwechsel bei Mieterstromprojekten liefen bislang in jedem Netzgebiet unterschiedlich.
Schluss mit dem Klein-Klein
Höchste Zeit also, monatelangen Bearbeitungszyklen, aufwendigen händischen Prozessen und E-Mail-Fluten ein Ende zu machen. Gemeinsam mit zahlreichen anderen Branchenbegleitern hat Solarize bereits im Februar 2024 in einer offenen Forderung die Standardisierung der Marktkommunikation für PV-Mieterstrom mit Smart Metering und virtuellen Summenzählern gefordert. Das erklärte Ziel: Wechselprozesse werden weitgehend automatisiert – so wie bei den gängigen Lieferantenwechseln im Energiemarkt.
Ab 1.4.2025 soll es nun soweit sein. Eine Fachgruppe des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat die nötigen Prozesse bereits entwickelt. Sie sind dokumentiert und finden sich im UTILMD Anwendungshandbuch (AHB) Strom 2.1, das auch für Netzbetreiber maßgeblich ist.
Anlass für die erfolgreiche Erweiterung des Handbuchs um die Wechselprozesse bei Mieterstromprojekten war insbesondere die Einführung des virtuellen Summenzählers nach §20 (1d) des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Die neuen Prozesse lassen sich jedoch sowohl auf Messkonzepte mit virtuellem, als auch mit physischem Summenzähler anwenden.
Neustart mit kleinen Einschränkungen
Ab dem 1. April 2025 wird somit erstmals die Mieterstrom-Marktkommunikation im AHB Strom, Version 2.1, geregelt sein. Mit einzelnen Einschränkungen ist jedoch zunächst noch zu rechnen:
- Betreiber von Kundenanlagen, die nicht zugleich auch über die Lieferantenrolle verfügen, sind bei den Wechselprozessen auf die Mithilfe ihres Reststrom-Lieferanten angewiesen.
- Messstellenbetreiber, die aktuell noch stark in die Wechselprozesse involviert sind, werden zukünftig entlastet. Die Abstimmung erfolgt zukünftig zunächst zwischen Kundenanlagenbetreibern und Lieferanten.
- In der Anfangszeit bringt vor allem die Übermittlung komplexer Berechnungsformeln im Format UTILTS noch Herausforderungen mit sich. Mit zunehmenden Erfahrungswerten werden sich aber auch hier Routinen einstellen.
Beteiligte & Rollen innerhalb der Wechselprozesse
Blick aufs Detail: Welche Wechselprozesse sind künftig standardisiert?
Im nachfolgenden Überblick erfahren Sie, wer wann bei welchen Prozessen in Aktion tritt. In Klammern finden Sie jeweils die Referenz der Prozessregel im AHB Strom 2.0.
Ausgangssituation: Beginn der Mieterstromversorgung / Integration bestehender Mieterstromprojekte in die neue Logik
Beginn Mieterstrom durch die Bildung einer Marktlokation Kundenanlage und ruhender Marktlokationen für die Mieterstromteilnehmer (5.4.2.1)
- Wann? Beginn der Mieterstromversorgung oder Integration bestehender Mieterstromprojekte in neue Logik
- Wie häufig? Einmalig zu Beginn
- Wer löst Wechselprozess aus? Lieferant der Kundenanlage
Was wird ausgelöst?
- Netzbetreiber (NB) bildet neue Marktlokation Kundenanlage.
- Bestehende Marktlokationen der zukünftigen Mieterstromteilnehmer werden in „Ruhende Marktlokation” umgewandelt.
- Ggf. Anfrage an vorherigen Lieferanten (LFA), ob Zuordnung beendet werden kann
- NB vergibt Netzlokation für die neue Kundenanlage.
- NB übermittelt die neue Lokationsbündelstruktur und die Berechnungsformel für die Marktlokation Kundenanlage an den Lieferanten und den Messstellenbetreiber (per UTILTS).
Situation 2
Integration eines Mieters in den Mieterstrom (5.4.2.2)
- Wann? Bei jedem Wechsel eines Anschlussnutzers in das Mieterstrommodell
- Wie häufig? Regelmäßig
- Wer löst den Prozess aus? Lieferant der Kundenanlage
Was wird ausgelöst?
- Bestehende Marktlokationen der zukünftigen Mieterstromteilnehmer werden in „Ruhende Marktlokation” umgewandelt und der Marktlokation Kundenanlage untergeordnet.
- Ggf. Anfrage an vorherigen Lieferanten (LFA), ob Zuordnung beendet werden kann.
- NB übermittelt die neue Lokationsbündelstruktur und die Berechnungsformel für die Marktlokation Kundenanlage an den Lieferanten und den Messstellenbetreiber (per UTILTS).
Situation 3
Herauslösung Mieterstromteilnehmer und Anmeldung in der Ersatz- oder Grundversorgung (EoG) (5.4.2.3)
- Wann? Bei jedem Wechsel eines Mieterstromteilnehmers aus dem Mieterstrommodell
- Wie häufig? Regelmäßig
- Wer löst den Prozess aus? Lieferant Mieterstrom
Was wird ausgelöst?
- Netzbetreiber muss Beendigung der ruhenden Marktlokation bestätigen.
- NB übermittelt die neue Lokationsbündelstruktur und die Berechnungsformel für die Marktlokation Kundenanlage an den Lieferanten und den Messstellenbetreiber (per UTILTS).
- Wenn keine Anmeldung durch dritten Lieferanten für die Marktlokation vorliegt, erfolgt die Anmeldung in der Ersatz- oder Grundversorgung (EoG).
Situation 4
Dritter Lieferant meldet sich auf ruhender Marktlokation an. (5.4.2.4)
- Wann? Mieterstromteilnehmer schließt Vertrag mit dritten Lieferanten.
- Wie häufig? Regelmäßig
- Wer löst den Prozess aus? Dritter Lieferant
Was wird ausgelöst?
- Dritter Lieferant meldet seine neuen Kunden auf ruhender Marktlokation an.
- Lieferant der Kundenanlage muss Beendigung der Belieferung bestätigen.
- NB übermittelt die neue Lokationsbündelstruktur und die Berechnungsformel für die Marktlokation Kundenanlage an den Lieferanten und den Messstellenbetreiber (per UTILTS).
Situation 5
Lieferantenwechsel an Marktlokation Kundenanlage (5.4.2.5)
- Wann? Lieferant möchte die Marktlokation der Kundenanlage mit Reststrom beliefern
- Wie häufig? Selten
- Wer löst den Prozess aus? Zukünftiger Lieferant der Kundenanlage
Was wird ausgelöst?
- NB bestätigt die Belieferung und teilt dem Lieferanten sämtliche ruhende Marktlokationen mit, die der Marktlokation Mieterstrom zum Zeitpunkt des Lieferbeginns untergeordnet sind.
Fazit
Die erfolgreiche Standardisierung dieser Prozesse ist ein wichtiger Schritt, um Mieterstrom skalierbar zu machen und um die Elektrifizierung von Quartieren sowie die Dekarbonisierung des Gebäudebestandes in Deutschland weiter voranzubringen.
Wie aus den dargestellten Situationen deutlich wird, ist insbesondere die Kommunikation zwischen Mieterstrombetreiber und dem Lieferant der Kundenanlage mit den neuen Prozessen noch nicht geregelt. Wir bei Solarize arbeiten deshalb intensiv daran, dass Wechselprozesse in der Solarize App ausgelöst werden und von innovativen Reststromlieferanten automatisch für die Marktkommunikation übernommen werden. Dies bietet Betreibern erstmals die Möglichkeit, die gesamte kaufmännische Abwicklung in der Kundenanlage digital abzubilden.
In diesem Kontext haben wir ein großes Interesse an Partnerschaften mit innovativen Reststrom-Lieferanten, welche die entsprechenden Wechselprozesse unterstützen und in die Marktkommunikation überführen wollen. Wir freuen uns über Ihre Kontaktaufnahme.